Kriegsidylle

DIeser Text wurde von Border eingesendet.

Kriegsidylle

Langsam richtet die Abendsonne ihren endlosen Weg dem Horizont entgegen. Der

blau-weiße Himmel färbt sich mit den brennenden Farben eines

Sonnenuntergangs wie er im Buche steht. Die lang gezogenen, fast schwarzen Schatten fügen

sich wie ein Puzzlestück in dieses Bild einer Winterromanze ein, und der

Abendwind, so sanft und doch unerbittlich, treibt die letzten toten Blätter vor

sich her. Stück um Stück ringt die Nacht dem Tage mehr Land ab. Es wirkt wie ein

Spiel zwischen Gut und Böse, dessen Sieger bereits feststeht. Wie die

Tatsache dass derselbe Kampf in Kürze wieder aufgenommen wird, nur dann mit einem

anderen, bereits feststehendem Sieger.

So fesselnd dieser Kampf auch sein mag, im Laufe der Zeit wird er auf Grund

seines endlosen Andauerns keine Blicke mehr auf sich ziehen. Die Blicke

wenden sich vom Geschehen in den Wolken dem Gemetzel auf der Erde zu. Auch wenn

der Kampf auf der Erde zur selben Zeit begann wie Tag und Nacht um ihre

Vorherrschaft stritten, so ist er doch wesentlich interessanter.

Irgendwo, in einem beliebigen Land, in einer beliebigen Stadt, wird es

wieder dunkel und die Schatten zwischen den skelettgleichen Ruinen ziehen sich

immer länger. Es regnet in Strömen, was die winterliche Kälte nur noch

unangenehmer macht, in dessen Ferne Explosionen von leckgeschlagenen Gasleitungen und

zerfetzten Autos zu hören sind.

In dem vierstöckigen Haus, welches dem starken Beschusses von Raketen und

Artillerie als einziges in der Nachbarschaft noch zu widerstehen vermag, regt

sich nur ein Hauch von Leben. Obwohl eine Seite dieses Hauses bis unter das

Dach zerfetzt wurde, wirkt es doch wie ein Fels gegen den Beschuss der

Invasoren. Nur noch hier wagt es ein Mensch aus dem Schutz der Dunkelheit und der

Feuerschwaden hervorzutreten.

Verdreckt, hungrig und vor Kälte zitternd bietet er einen Anblick des

Grauens, welcher sich jedoch kaum von seiner Umgebung abhebt. Mit gleichgültigen

Augen, welche nicht mehr auszusagen vermögen was sie sehen mussten, nimmt er

ein Schlachtfeld war, das noch bis vor kurzem seiner Heimatstadt ähnelte. Wie

berauscht steht er da und ist nicht willens auch nur einen einzigen Muskel

mit Absicht zu rühren.

Langsam und stockend macht er zwei drei Schritte auf das riesige Loch

hinzu, wo einst die Wand war durch die man auf den eisernen Balkon gelangte. Wie

sie, wurde auch das Dach seines Zuhauses weggesprengt. Nur noch einzelne

Ziegel und das verbrannte Dachgerüst verbergen teilweise den Blick auf den

bedeckten Abendhimmel. Seine leeren Augen schauen in den zertrümmerten Abgrund

hinunter, der wie ein Spiegel wirkt, der das Innerste seiner geschundenen Seele

zeigt. Aus einem undefinierbaren Trieb heraus stößt er einen kleinen Stein

hinunter. Auf seinem Weg prallt er gegen das verrußte Skelett, aus dem einst der

Balkon bestand.

Den Blick auf den Horizont richtend, nehmen seine Augen einen kleinen Teil

des Wahnsinns wahr, der hier stattgefunden haben muss. Die Stadt, die er

früher sein Zuhause nannte, liegt in Trümmern. Wo er einst jede Strasse beim Namen

und jedes Haus bei seiner Nummer nennen konnte, erkennt er jetzt nichts

wieder. Nur noch der abgeknickte Turm einer Kirche gibt ihm einen gewissen

Orientierungspunkt. Gedankenverloren sieht er auf das ehemalige Schlachtfeld, auf

dem kein menschliches Leben mehr möglich zu seien scheint. Er kann und will

sich nicht vorstellen wie der Rest seines Landes aussehen mag. Was seiner

Familie, seinen Freunden und all den anderen Menschen zugestoßen sein muss, die

bis vor kurzem noch hier lebten.

In der Ferne ist das flattern von Hubschraubern zu hören. In der Stille des

Todes sind sie leicht wahrzunehmen. Er verbannt ihre Fluggeräusche aus seinem

Kopf um sich ganz auf die Stille dieses Elends zu konzentrieren. Wie in

Trance steht er da und merkt nicht dass sich ihm einer der Hubschrauber von

hinten nähert. Er bemerkt nicht wie er über seinen Kopf hinweg fliegt und vor ihm

zum schweben kommt. Erst jetzt, wo er genau in die hell erleuchtete Kanzel zu

sehen vermag, wird ihm nur schwach bewusst, was hier geschieht. Dass die

Kanzel hell erleuchtet ist kann nur eins bedeuten. Sie rechnen nicht mehr mit

Widerstand und können aufgrund dessen so leichtsinnig sein, wie ein

Leuchtsignal durch die Luft zu fliegen. Er erblickt das Gesicht des Piloten und bemerkt

wie er ihn anlächelt.

Das Letzte was er noch wahrnehmen wird, ist das MG des Hubschraubers.

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